Der geschenkte Hund
Der geschenkte Hund Lesezeit: ca. 2 Minuten Seitdem ihr Mann vor einigen Jahren gestorben war, vermied es Frau Trist ab Mitte November ihre Wohnung öfter als unbedingt notwendig zu verlassen. Egal wohin sie auch ging, überall dudelte Weihnachtsmusik aus den Lautsprechern und der Duft von Lebkuchen und Glühwein mischte sich zum Mief der Autoabgase. "Noch mehr Verkehr als sonst und das nur wegen der Weihnachtseinkäufe", dachte Frau Trist griesgrämig. Selbst den Weg zum Supermarkt zögerte sie so lange wie möglich hinaus. Immerhin erwartete sie in den Geschäften der Glitzer der Weihnachtskugeln und unzählige Erinnerungen an eine Zeit, als sie mit ihrem Mann jeden Adventssonntag bei Kerzenschein dem Himmel dafür dankten, dass sie nach Jahrzehnten noch so glücklich miteinander waren. Den Glauben an Weihnachtsengel hatte Frau Trist verloren, als ihr Mann ausgerechnet an einem 21. Dezember vom Mittagsschlaf nicht mehr erwachte. Plötzlicher Herztod war die Diagnose. Seitdem hatte Weihnachten keinen Sinn mehr für Frau Trist und da sie keine Kinder hatte, wurde sie regelrecht zum Einsiedler. Einzig mit ihrer Nachbarin, einer netten Dame mittleren Alters, wechselte sie ab und zu ein paar Worte. Sie hatte einen niedlichen Pudel, der als einziges Lebewesen der Welt ein Lächeln auf das Gesicht von Frau Trist zauberte.
Autor: weihnachtsgeschichte.biz
Und so kam es, das die Nachbarin ausgerechnet an einem 21. Dezember bei ihr an der Tür läutete. Zunächst wollte Frau Trist die Tür gar nicht öffnen. Aber da sie beharrlich weiter läutete, erhob sich die ältere Dame doch und ging schweren Schritts zur Tür. Jeden 21. Dezember hatte sie auf dieselbe Art und Weise verbracht: So lange wie möglich blieb sie morgens unter ihrer Bettdecke liegen, dann setzte sie sich in ihren Lehnstuhl und verharrte dort bis es dunkel wurde. Der Fernseher blieb ebenso stumm wie das Radio, sie existierte nur, bis der nächste Morgen anbrach. Und nun störte die Nachbarin dieses Ritual! "Frau Trist, was machen sie denn noch im Nachtgewand", fragte diese. Neben der Nachbarin stand ein kleiner Hund, der seinen Kopf genauso hängen ließ wie Frau Trist. "Sie wissen ja, ich arbeite in einem Pflegeheim", setzte die Nachbarin fort. "Wir haben seit gestern einen neuen Bewohner und das ist sein Hund, den er nicht mitnehmen durfte. Ich dachte, weil Sie ja alleine sind, vielleicht könnte er ja bei ihnen bleiben." Zunächst wollte Frau Trist ablehnen, doch dann trat das kleine Wollknäuel einen Schritt nach vorne und sah sie aus traurigen, braunen Augen an. "Nur über die Feiertage, wenn Sie mit ihm nicht zurechtkommen, muss ihn das Tierheim holen". Das wollte Frau Trist nicht. Und so kam es, dass genau am 5. Todestag ihres Mannes der kleine Benno bei Frau Trist einzog. Tief in ihrem Herzen war sie davon überzeugt, dass ihr Mann den Vierbeiner zu ihr geschickt hatte. Frau Trist war an diesem Weihnachten zum ersten Mal seit langem nicht mehr alleine. Gemeinsam mit Bello lauschte sie am Heiligen Abend dem Weihnachtschor im Fernsehen und es kam ihr fast vor, als ob der Hund ein Weihnachtsengel sei.